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OLG Stuttgart eröffnet Hauptverfahren gegen 13 Professoren der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg wegen Beihilfe zur Untreue

Datum: 02.08.2019

Kurzbeschreibung: 

OLG Stuttgart eröffnet Hauptverfahren gegen 13 Professoren der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg wegen Beihilfe zur Untreue

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat mit Beschluss vom 29. Juli 2019 das Hauptverfahren gegen 13 Professoren der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg wegen Beihilfe zur Untreue eröffnet und die Anklage gegen sie zur Hauptverhandlung vor dem Landgericht Stuttgart zugelassen.

Das Landgericht Stuttgart hatte mit Beschluss vom 27. November 2018 die Anklage vom 2. Januar 2017 der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen den früheren Rektor und früheren Kanzler der Hochschule für Finanzen und öffentliche Verwaltung in Ludwigsburg wegen des Vorwurfs der gemeinschaftlich begangenen Untreue in 13 Fällen zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Gleichzeitig lehnte es die Zulassung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen 13 Professoren, die zum Tatzeitpunkt zum Lehrkörper der Hochschule gehörten, wegen Beihilfe zur Untreue aus tatsächlichen Gründen ab. Der Rektor und der Kanzler der Hochschule sollen den 13 Professoren zu Unrecht Zulagen gewährt haben. Den Professoren wird durch die Anklageschrift zur Last gelegt, sie hätten Beihilfe hierzu geleistet, indem sie die Zulagen beantragten und annahmen, obwohl sie wussten, dass diese bei der gegebenen Sachlage nach dem Besoldungsrecht nicht gerechtfertigt waren. Zur Begründung seiner teilweise ablehnenden Entscheidung hatte das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der bei den Angeschuldigten für eine Beihilfe erforderliche Vorsatz nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliege. Dies stützte die Strafkammer insbesondere auf den Umstand, dass die Angeschuldigten von einer Prüfung der Rechtmäßigkeit durch die Hochschulleitung, das Landesamt für Besoldung und Versorgung sowie das Ministerium für Kunst, Forschung und Wissenschaft ausgehen und sich darauf verlassen durften.

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stuttgart hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart die erfolgte Teilablehnung der Anklage mit einem 36-seitigen Beschluss aufgehoben, die Anklage auch gegen die 13 Professoren zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren auch insoweit vor der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart eröffnet. Der Senat bejahte aufgrund einer Gesamtwürdigung der für und gegen die Angeschuldigten sprechenden Umstände für jeden der 13 Angeklagten den sogenannten hinreichenden Tatverdacht.

Für einen hinreichenden Tatverdacht, der nach § 203 Strafprozessordnung für die Eröffnung eines Hauptverfahrens erforderlich, aber auch ausreichend ist, bedarf es - anders als für eine Verurteilung - noch keiner Überzeugung des Gerichts von der Schuld eines Angeklagten. Ausreichend ist hierfür schon, wenn bei vorläufiger Tatbewertung die Wahrscheinlichkeit einer späteren Verurteilung vorliegt. Der Zweifelsgrundsatz „in dubio pro reo“ gilt dabei nicht. Schwierige und zweifelhafte Tatfragen dürfen – so der Senat - nicht nach Aktenlage im Wege der nichtöffentlichen, lediglich vorläufigen Tatbewertung des Gerichts endgültig entschieden werden. Die Eröffnungsentscheidung soll (nur) erkennbar aussichtslose Fälle ausfiltern, aber der Hauptverhandlung ansonsten nicht vorgreifen. Deshalb ist das Hauptverfahren nicht erst dann zu eröffnen, wenn die Verurteilung nach dem Ergebnis des vorbereitenden Verfahrens überwiegend wahrscheinlich oder gar sicher ist, sondern schon in Zweifelsfällen mit ungefähr gleicher Wahrscheinlichkeit von Verurteilung und Nichtverurteilung, die nur mit besonderen Erkenntnis- und besseren Aufklärungsmöglichkeiten der Hauptverhandlung zu klären sind. Der Senat hat die Erwartung, dass noch offene Fragestellungen und die für die subjektive Tatseite relevanten inneren Vorgänge bei den Angeschuldigten aufgrund der besonderen Erkenntnismöglichkeiten der Hauptverhandlung weiterer Klärung zugeführt werden können.

Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Stuttgart wird nun über die Vorwürfe nach Durchführung einer Hauptverhandlung zu befinden haben.

Aktenzeichen:
OLG Stuttgart: 2 Ws 227/18 - Beschluss vom 29. Juli 2019
Landgericht Stuttgart: 5 KLs 120 Js 6253/15

Relevante Vorschriften (Auszug):

Strafgesetzbuch (StGB)
§ 266 Untreue:
(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 27 Beihilfe:
(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

Strafprozessordnung (StPO)
§ 203 Eröffnungsbeschluss:
Das Gericht beschließt die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der Angeschuldigte einer Straftat hinreichend verdächtig erscheint.

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