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Musterfeststellungsklage der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. gegen die Mercedes Benz Bank AG als unzulässig abgewiesen

Datum: 20.03.2019

Kurzbeschreibung: 

Musterfeststellungsklage der Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. gegen die Mercedes Benz Bank AG als unzulässig abgewiesen

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz von Dr. Oliver Mosthaf hat heute in dem am 25. Januar 2019 mündlich verhandelten Musterfeststellungsverfahren die Klage als unzulässig abgewiesen und die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Die Musterfeststellungsklage wurde vom Gesetzgeber zum 1. November 2018 als erstinstanzliches Verfahren bei den Oberlandesgerichten neu geschaffen. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. hat dem Gericht Rechtsfragen zur Klärung vorgelegt, die den Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen bei der beklagten Mercedes Benz Bank AG betreffen. Gerichtlich überprüft werden sollte, ob in den Formularen der beklagten Bank die erforderlichen Pflichtangaben, darunter insbesondere die Widerrufsinformation, ordnungsgemäß erteilt wurden. Auch Fragen im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen eines Widerrufs (Konditionen der Rückgabe der finanzierten Fahrzeuge) sollten geklärt werden.

Der Gesetzgeber hat jedoch die Zulässigkeit einer Musterfeststellungklage davon abhängig gemacht, dass diese von einer sogenannten „qualifizierten Einrichtung“ im Sinne des § 606 ZPO erhoben wird, und es ließ sich nicht feststellen, dass der klagende Verein alle entsprechenden gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt. Die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. konnte insbesondere nicht belegen, dass sie

  1. als Mitglieder im Sinn der gesetzlichen Vorschriften mindestens 350 natürliche Per-sonen hat,
  2. in Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnimmt und
  3. Musterfeststellungsklagen nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung erhebt.

Bei der Urteilsverkündung betonte der Vorsitzende Richter, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sei, die politischen Diskussionen der letzten Jahre über den Kreis der zur Erhebung von Musterfeststellungsklagen berechtigten Einrichtungen fortzusetzen. Entscheidungserheblich und für das Gericht bindend sei allein die beschlossene Gesetzesfassung, die den Kreis der Klagebefugten ausdrücklich beschränkt, um – wie es in der Gesetzesbegründung heißt – durch „strenge Voraussetzungen“ sicherzustellen, dass solche Klagen „ohne Gewinnerzielungsabsicht und nur im Interesse betroffener Verbraucherinnen und Verbraucher“ erhoben werden und eine „kommerzielle Klageindustrie“ verhindert wird.

Wegen der Unzulässigkeit der Klage konnten in diesem Verfahren die in der mündlichen Verhandlung erörterten inhaltlichen Fragen zur Widerruflichkeit der Darlehensverträge nicht geklärt werden. Der 6. Zivilsenat wird aber schon bald Gelegenheit haben, sich mit diesen inhaltlichen Fragen zu beschäftigen, weil eine Reihe von Kunden der Mercedes Benz Bank AG individuelle Klagen erhoben haben, von denen einige bereits beim Senat als Berufungsverfahren anhängig sind.

Aktenzeichen: OLG Stuttgart 6 MK 1/18



§ 606 Zivilprozessordnung (ZPO): Musterfeststellungsklage

(1) Mit der Musterfeststellungsklage können qualifizierte Einrichtungen die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen (Feststellungsziele) zwischen Verbrauchern und einem Unter-nehmer begehren. Qualifizierte Einrichtungen im Sinne von Satz 1 sind die in § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Unterlassungsklagengesetzes bezeichneten Stellen, die

1.
als Mitglieder mindestens zehn Verbände, die im gleichen Aufgabenbereich tätig sind, oder mindes-tens 350 natürliche Personen haben,
2.
mindestens vier Jahre in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes oder dem Verzeich-nis der Europäischen Kommission nach Artikel 4 der Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Par-laments und des Rates vom 23. April 2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucher-interessen (ABl. L 110 vom 1.5.2009, S. 30) eingetragen sind,
3.
in Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht ge-werbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnehmen,
4.
Musterfeststellungsklagen nicht zum Zwecke der Gewinnerzielung erheben und
5.
nicht mehr als 5 Prozent ihrer finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen beziehen.

Bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass die Voraussetzungen nach Satz 2 Nummer 4 oder 5 vorliegen, ver-langt das Gericht vom Kläger die Offenlegung seiner finanziellen Mittel. Es wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln ge-fördert werden, die Voraussetzungen des Satzes 2 erfüllen.

(2) Die Klageschrift muss Angaben und Nachweise darüber enthalten, dass

1.
die in Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen vorliegen;
2.
von den Feststellungszielen die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrau-chern abhängen.

Die Klageschrift soll darüber hinaus für den Zweck der Bekanntmachung im Klageregister eine kurze Dar-stellung des vorgetragenen Lebenssachverhaltes enthalten. 3§ 253 Absatz 2 bleibt unberührt.

(3) Die Musterfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn

1.
sie von einer qualifizierten Einrichtung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 erhoben wird,
2.
glaubhaft gemacht wird, dass von den Feststellungszielen die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von mindestens zehn Verbrauchern abhängen und
3.
zwei Monate nach öffentlicher Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage mindestens 50 Ver-braucher ihre Ansprüche oder Rechtsverhältnisse zur Eintragung in das Klageregister wirksam an-gemeldet haben.

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